EStG: BGH vom 05.03.2009 (Az. IX ZB 2/07)

Wählt der verheiratete Schuldner ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V, kann dies einen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit darstellen.

Die Wahl der Lohnsteuerklasse V durch den Insolvenzschuldner führt im Vergleich zur Lohnsteuerklasse III oder IV zu einem geringeren Nettoeinkommen und somit zu einem geringeren der Insolvenzmasse zufließenden Neuerwerb.

Für Zeiträume bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens stehen zwar die durch Einreichung einer Einkommensteuererklärung entstehenden Steuerguthaben – soweit auf den Insolvenzschuldner entfallend – der Insolvenzmasse zu, damit kann jedoch nicht in jedem Fall ein Ausgleich erreicht werden. Denkbar sind z. B. Fälle, bei welchen es aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit des Ehegatten nicht zu einem Einkommensteuerguthaben kommt.

Für Zeiträume ab Verfahrensaufhebung bis zur Restschuldbefreiung steht ein  Einkommensteuerguthaben ohnehin nicht dem Treuhänder sondern dem Insolvenzschuldner zu (vgl. BGH vom 12.01.2006, Az. IX ZB 239/04, BFH vom 21.11.2006, Az. VII R 1/06), so dass die Insolvenzgläubiger durch die ungünstige Lohnsteuerklassenwahl endgültig benachteiligt werden.

Der BGH hat mit Urteil vom 05.03.2009 festgestellt, dass die ohne sachlichen Grund vorgenommene Wahl der ungünstigen Steuerklassen einen Verstoß gegen die Obliegenheiten des Schuldners gem. § 295 InsO darstellen kann.

Bereits mit Urteil vom 03.07.2008 (Az. IX ZB 65/07) hatte es der BGH dem Insolvenzschuldner zugemutet, statt der Lohnsteuerklasse V die IV zu wählen.

Ähnliches gilt auch bei einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (BFH vom 04.10.2005, Az. VII ZB 26/05).

Es sind auch Fallgestaltungen denkbar, in welchen der Ehegatte bewusst die günstigere Lohnsteuerklasse wählt, wenn damit in naher Zukunft ein höheres Elterngeld erreicht werden kann (vgl. BSG vom 25.06.2009, Az. B 10 EG 3/08 R, B 10 EG 4/08 R). Es bleibt fraglich, ob dies einen ausreichenden sachlichen Grund i. S. des BGH-Urteils darstellt.

Die Lohnsteuerklasse ist sowohl auf den Lohn- und Gehaltsabrechnungen als auch auf der Lohnsteuerbescheinigung angegeben und somit leicht durch den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder überprüfbar.

13.07.2009 Ullrich Schwarz, Steuerberater

Update:

Das Landgericht Dortmund hält in seinem Beschluss vom 23.03.2010 (Az. 9 T 106/10) die Wahl der Lohnsteuerklasse V (statt III) eines verheirateten Insolvenzschuldners für sachlich gerechtfertigt, wenn dadurch dass monatliche Nettoeinkommen der Eheleute erhöht wird.

Berlin, den 02.07.2010
Schwarz, Steuerberater