InsO/AO: Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt *Update 10.08.2013*

Die Rechtsprechung lehnt einen allgemeinen Auskunftsanspruch eines Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt überwiegend ab.

BFH vom 19.03.2013 (Az. II R 17/11)
Der BFH hielt in seinem Urteil die Entscheidung des Finanzamts, den vom Insolvenzverwalter begehrten Kontoauszug zu verweigern, für ermessensgerecht, da der Insolvenzverwalter gegenüber dem Finanzamt nicht im ausreichenden Umfang dargelegt habe, dass er den Kontoauszug tatsächlich zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten benötige. Der BFH hält es insbesondere auch für ermessensgerecht, dass das Finanzamt bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass sich aus dem Kontoauszug Anhaltspunkte für mögliche Anfechtungsansprüche  ergeben könnten. 

BVerwG vom 15.10.2012 (Az. 7 B 2.12)
Für einen auf § 4 HambIFG gestützter Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt auf Einsicht in die Vollstreckungsakten ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben. Aufgrund der Divergenz zum BFH-Beschluss vom 10.02.2011 hat das BVerfG den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen.

BFH vom 10.02.2011 (Az. VII B 183/10)
Verlangt der Insolvenzverwalter Einsicht in die Vollstreckungsakten, ohne sein Anliegen näher zu konkretisieren, so handelt es sich um eine Streitigkeit i.S: von § 33 Abs. 1 FGO, wofür der Finanzrechtsweg eröffnet ist, auch wenn der Insolvenzverwalter sich auf das HambIFG beruft.

 
OVG NRW vom 15.06.2011 (Az. 8 A 1150/10)
Ein Insolvenzverwalter kann gem. § 4 Abs. 1 IFG NRW von der Finanzverwaltung Jahreskontoauszüge des Insolvenzschuldners verlangen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
   
BGH vom 13.08.2009 (Az. IX ZR 58/06)
Laut dem BGH ist das Finanzamt gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht zur Auskunft über erhaltene (anfechtbare) Zahlungen verpflichtet, wenn dieser nur vermute, dass aufgrund von Vollstreckungsdruck Zahlungen geleistet wurden, er aber mangels Unterlagen und Auskünfte des Insolvenzschuldners keine weiteren Anhaltspunkte darlegen könne. Ein Auskunftsanspruch bestehe laut BGH nur, wenn "ein Anfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht." Auch aus der Abgabenordnung ergäbe sich kein Auskunftsanspruch.
   
Finanzgericht Düsseldorf vom 14.05.2008 (Az. 4 K 242/07 AO)
Im Zusammenhang mit den vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen forderte der Insolvenzverwalter das Finanzamt dazu auf, u. a. einen Kontoauszug zu übersenden, aus welchem die Verbuchung der Zahlungen zu erkennen sei. Das Finanzamt lehnte dies ab, da die vereinnahmten Beträge nicht zur Tabelle angemeldet worden seien. Das Finanzgericht stellte fest, dass sich ein Auskunftsanspruch nicht aus der Abgabenordnung, sondern aus dem Rechtsstaatprinzip ergeben würde. Hieraus ergäbe sich jedoch nur ein Auskunftsanspruch, wenn die Auskunft unerlässlich für die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten sei. Die Entscheidung hierüber stehe im Ermessen des Finanzamtes. Die Ablehnung sei im Streitfall ermessensgerecht, da der Insolvenzverwalter in der mündlichen Verhandlung betont habe, dass er diese Auskunft ausschließlich für die Ermittlung etwaiger Anfechtungsansprüche benötige. Ein allgemein begründeter Verdacht, dass das Finanzamt etwas in anfechtbarer Weise erhalten habe, begründe gem. dem BGH noch keinen Auskunftsanspruch. Diese könne nur entstehen, wenn der Insolvenzverwalter in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen sei. Die pauschale Behauptung des Insolvenzverwalters, der Insolvenzschuldner selbst könne oder wolle hierzu keine Auskunft geben, sei hierfür jedoch nicht ausreichend. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit seinem Beschluss vom 15.10.2008 als unzulässig verworfen (Az. II B 91/08).
  
Finanzgericht Münster vom 17.08.2009 (Az. 3 K 1514/08 AO)
Der Insolvenzverwalter begehrte vom Finanzamt einen Kontoauszug, aus welchem sich sämtliche Zahlungseingänge, die der Beklagte erhalten habe, ergäben. Zusätzlich solle kenntlich gemacht werden, inwieweit diese Zahlungen auf Pfändungsmaßnahmen beruhten. Das Finanzamt lehnte dies ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, dass ein Anspruch auf Erteilung eines Kontoauszuges sich nicht aus dem Steuerrecht ableiten lasse, wohl aber aus dem Rechtsstaatprinzip und den aus Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz resultierenden Prozessgrundrechten. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf Erteilung des Kontoauszuges schlechthin, sondern nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren. Diese Ermessensentscheidung sei nur im Rahmen des § 102 FGO überprüfbar. Das Gericht hielt im vorliegenden Sachverhalt den Ablehnungsbescheid zwar grundsätzlich für ermessensfehlerhaft, da das Finanzamt nicht ausreichend gewürdigt habe, dass sich aus den steuerlichen Mitwirkungs-, Erklärungs- und Zahlungspflichten des Insolvenzverwalters als Vertreter i. S. § 34 Abs. 3 AO ein Anspruch auf Auskunftserteilung entstehen könne. Eine Verurteilung des Beklagten zur Erteilung eines Kontoauszuges nahm das Gericht jedoch nicht vor, da es aus dem Sachvortrag des Klägers nicht folgern könne, dass die Erteilung eines Kontoauszuges die einzige ermessensgerechte Entscheidung darstellen würde.
 
Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 24.11.2009 (Az. 1 K 1752/07)
Auch das FG Rheinland-Pfalz hatte dem Insolvenzverwalter eine umfassende Akteneinsicht verweigert, da die begehrten Informationen nicht substantiiert bezeichnet wurden. Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 15.09.2010 (Az. II B 4/10) zurück.
  
Finanzgericht Saarland vom 17.12.2009 (Az. 1 K 1598/08)
Dem Steuerpflichtigen stehe kein genereller Anspruch auf Akteneinsicht zu, gleiches gälte daher auch für den Insolvenzverwalter. Dessen Begehren, Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte des Finanzamtes zu nehmen, um anfechtbare Zahlungen zu ermitteln, wurde daher abgelehnt.
  
Finanzgericht Hamburg vom 02.07.2010 (Az. 6 K 75/09)
Der Insolvenzverwalter begehrte beim Finanzamt Einsicht in die Vollstreckungsakten des Insolvenzschuldners. Das Finanzamt lehnte dies mit Bescheid vom 10.10.2008 ab, da es als möglicher Anfechtungsgegner von seinem Recht Gebrauch mache, in der Sache keine weiteren Auskünfte zu erteilen. Gegen die Einspruchsentscheidung klagte der Insolvenzverwalter und berief sich auf das HmbIFG. Er beantragte ferner, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zu verweisen. Das FG Hamburg stellte in seinem Beschuss vom 02.07.2010 fest, dass eine Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten vorliegen würde und somit der Finanzrechtsweg eröffnet sei. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wurde die Beschwerde zugelassen. Der BFH hat mit Urteil vom 10.02.2011 (Az. VII B 183/10) die Rechtsauffassung des FG bestätigt.
 
Hessisches Finanzgericht vom 31.08.2010 (Az. 7 K 3725/06)
Im Urteil legt das Finanzgericht dar, dass der Insolvenzverwalter den begehrten Kontoauszug nicht – wie vom Insolvenzverwalter behauptet - für die Prüfung von Forderungsanmeldungen sowie der Prüfung und Erstellung von Steuererklärungen, sondern ausschließlich für die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen benötigen würde. Mit der gleichen Argumentation wie vom Finanzgericht Düsseldorf (s. o.) sowie dem Finanzgericht Münster (s. o.) lehnt das Gericht daher eine Verpflichtung des Finanzamtes, einen Kontoauszug zu erstellen, ab. Der BFH ließ die Revision zu (Az. II R 17/11).
 
Finanzgericht Hamburg vom 04.04.2011 (Az. 2 K 90/10)
Der Insolvenzverwalter focht erfolgreiche Zahlungen von zwei Kunden der Insolvenzschuldnerin an, die diese aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an das Finanzamt geleistet hatten. Aus der Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen war erkennbar, das auch weiteren Kunden die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zugestellt worden war. Der Insolvenzverwalter begehrte daher von dem Finanzamt Auskunft über sämtliche Einzugsmaßnahmen aufgrund der Pfändung und berief sich hierbei auf §§ 841 ff. ZPO, § 402 BGB und das HambIFG. Das Finanzgericht Hamburg, an welches das Verfahren von dem Landgericht verwiesen wurde, verneinte jedoch einen Auskunftsanspruch, da es an einer gesetzlichen Grundlage fehlen würde. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bei dem BFH unter dem Aktenzeichen VII B 89/11 anhängig.
 

Berlin, den 10.08.2013 (letzte Aktualisierung)
Schwarz, Steuerberater