InsO/AO: BFH vom 24.11.2011 (Az. V R 13/11)
Das Finanzamt meldete die sich aus den Umsatzsteuer-Voranmeldungen ergebende Zahllast zur Insolvenztabelle an. Die Forderungen wurden festgestellt. Danach reichte der Insolvenzverwalter beim Finanzamt die Umsatzsteuererklärung ein, woraus sich eine verringerte Zahllast ergab. Das Finanzamt stimmte der Umsatzsteuererklärung gemäß § 168 Satz 2 AO zu, verweigerte aber eine Korrektur der Forderungsanmeldung, da dies nur unter den Voraussetzungen einer Restitutionsklage möglich sei.
Der BFH urteilte nun wie folgt (Urteil vom 24.11.2011, Az. V R 13/11):
Eine angemeldete Forderung ist gemäß § 178 Abs. 2 InsO in die Insolvenztabelle einzutragen. Widersprüche des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers sind in der Tabelle zu vermerken. Soweit weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger widerspricht, gilt die Forderung als festgestellt und wirkt wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Zur Feststellung von bestrittenen Forderungen hat der Gläubiger in einem ordentlichen Verfahren Klage vor dem zuständigen Gericht zu erheben (§§ 179 f. InsO). Die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern; auf Antrag erfolgt die Berichtigung der Tabelle durch das Insolvenzgericht (§ 183 InsO). Der BFH betont, dass die Sachlage in diesem Fall identisch wäre wie bei einer unmittelbaren Feststellung einer unbestrittenen Forderung.
Diese Gleichbehandlung müsse auch für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gelten. Die Feststellung von bestrittenen Forderungen werden gem. § 185 InsO i. V. m. § 251 Abs. 3 AO durch einen behördlichen Verwaltungsakt (Feststellungsbescheid) festgestellt. Bei Bestandskraft des Bescheids wirkt er wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern und führt über §§ 185 i.V.m. 183 Abs. 2 InsO zur Berichtigung der Tabelle und Feststellung der Forderung. Der Feststellungsbescheid könne jedoch gem. § 130 Abs. 1 AO geändert werden. Würde dagegen der Forderungsanmeldung nicht widersprochen werden, so käme es zur Feststellung ohne einen noch änderbaren Verwaltungsakt. Diese Ungleichbehandlung zwischen der Behandlung von widersprochenen und unwidersprochenen Forderungen hält der BFH für nicht hinnehmbar und postuliert, dass der Feststellung einer unwidersprochenen Forderung aus dem Steuerschuldverhältnis die gleiche Wirkung zukommen müsse wie einer Feststellung erst aufgrund eines Feststellungsbescheids.
Im Ergebnis hält der BFH daher eine Änderung der Forderungsanmeldung im Rahmen des § 130 Abs. 1 AO für zulässig. Da die Änderung jedoch im Ermessen des Finanzamtes liegt und das Finanzamt aufgrund einer abweichenden Rechtsauffassung noch keine Ermessensentscheidung getroffen hatte, hebt der BFH das vorinstanzliche Urteil (Sächsische Finanzgericht vom 09.06.2010, Az. 8 K 1573/09) auf und verpflichtet das Finanzamt, nach Maßgabe des § 130 Abs. 1 AO eine Ermessensentscheidung zu treffen. Der V. Senat weist aber auch darauf hin, dass eine ablehnende Entscheidung des Finanzamtes in der Regel ermessensfehlerfrei sei, wenn der Insolvenzverwalter sein Begehren auch im Rahmen eines Einspruchsverfahrens hätte geltend machen können und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig erscheinen lassen.
Berlin, den 08.02.2012
Schwarz, Steuerberater