KraftStG/InsO: Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit

 

Es gibt immer wieder Unstimmigkeiten, inwieweit es sich bei der Kfz-Steuer um eine Masseverbindlichkeit handelt.

Kraftfahrzeugsteuer ist ein unerquickliches Thema für Insolvenzverwalter. Die höchstrichterliche Rechtsprechung fällt im Allgemeinen nicht insolvenzverwalterfreundlich aus. Das Finanzgericht München bringt in seinem Urteil vom 10.09.2007 (Az. 4 K 692/95) die Tendenz der Rechtsprechung auf den Punkt: "Es ist Sache des Konkursverwalters und nicht des Finanzamtes oder der Zulassungsstelle, das Ende der Kraftfahrzeugsteuerpflicht herbeizuführen, selbst wenn diese nicht mehr Bestandteile der Konkursmasse sind."

Daher vorweg einige Hinweise:
  • Kfz-Steuer entsteht als Masseverbindlichkeit unabhängig von der tatsächlichen Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters, also z. B. auch in den Fällen, in denen er keine Kenntnis über die Existenz des Kfz hat. Es bietet sich daher ggf. an, sich bereits vor der Insolvenzeröffnung bei der Zulassungsstelle oder dem Finanzamt zu erkundigen, welche Fahrzeuge auf den Namen des Insolvenzschuldners zugelassen sind.
  • Bei einer Veräußerung, Freigabe oder Rückgabe an den Eigentümer (z. B. an eine Leasinggesellschaft) ist unbedingt eine Veräußerungsanzeige gem. § 27 Abs. 3 StVZO bei der Zulassungsstelle einzureichen. Diese muss die Bestätigung des Erwerbers (bzw. Insolvenzschuldners, Eigentümers) über den Empfang der Fahrzeugpapiere enthalten. Dies gilt auch für die Veräußerung an Verwerter. Die Veräußerungsanzeige dürfte auch aus versicherungsrechtlichen Gründen unbedingt notwendig sein.
  • Ein Diebstahl ist unverzüglich der Zulassungsstelle mitzuteilen. Hierbei sind auch die Fahrzeugpapiere zu übergeben. Bei einer Strafanzeige sollte man sich das Datum des Verlustes von der Ermittlungsbehörde bestätigen lassen und diese Bestätigung dem Finanzamt übersenden.

  • Der BFH hat sich hinsichtlich nicht pfändbarer Fahrzeuge bisher nur im Rahmen eines Antrages auf vorläufigen Rechtschutz geäußert. Demnach hält der Senat es für ernsthaft zweifelhaft, ob dadurch Masseverbindlichkeiten entstehen können (Beschluss vom 08.09.2009, Az. II B 63/09) Es empfiehlt sich trotzdem, der Zulassungsstelle zeitnah die Unpfändbarkeit des Fahrzeugs mitzuteilen und dabei möglichst auch eine Bestätigung des Insolvenzschuldners, dass dieser sich im Besitz der Fahrzeugpapiere befindet, beizufügen.

 

Kfz-Steuer bei freigegebenen Fahrzeugen

Runderlass KraftSt-Nr. 43 vom 05.12.2008 der Senatsverwaltung für Finanzen: Der Senat vertritt die Auffassung, dass eine bloße Freigabe des Fahrzeuges die Steuerpflicht der Masse nicht beende. Das Besteuerungsverfahren könne daher nicht gegenüber dem Insolvenzschuldner fortgeführt werden. Er bezieht sich dabei auf die BFH-Rechtsprechung, wonach die Steuerpflicht nur durch ordnungsgemäße Abmeldung oder Veräußerungsanzeige beendet würde.
BFH vom 16.10.2007 (Az. IX R 25/07), 29.08.2007 (Az. IX R 4/07), 10.03.2010 (Az. II B 172/09): Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist unbeschadet einer vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen Freigabe des Fahrzeugs Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, solange die Steuerpflicht wegen der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs auf den Schuldner noch andauert. FG Düsseldorf vom 28.01.2010 (Az. 8 K 236/09): Trotz Freigabe des Gewerbes gem. § 35 Abs. 2 InsO handelt es sich bei der Kfz-Steuer für ein Fahrzeug, welches zum freigegebenen Gewerbe gehört, um eine Masseverbindlichkeit. Die Revision wurde vom BFH zugelassen und ist unter dem Aktenzeichen II R 54/10 anhängig.
 

Kfz-Steuer für gem. § 811 ZPO dem Pfändungsschutz unterliegenden Fahrzeuge


FG Köln vom 20.11.2008 (Az. 6 K 1746/08): Das FG Köln kommt in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zu dem Urteil, dass es sich bei der Kfz-Steuer um eine Masseverbindlichkeit handelt, auch wenn das Kfz dem Pfändungsschutz unterliege. Die Kfz-Steuer sei eine Masseverbindlichkeit, da sie durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet würde. Der Insolvenzverwalter könne das Entstehen der Steuerschuld zu Lasten der Insolvenzmasse nur verhindern, wenn er das Fahrzeug außer Betrieb setzt oder die Anzeige über den Übergang des Fahrzeugs bei der Zulassungsbehörde erstattet. Ob eine rechtzeitige Anzeige bei der Zulassungsbehörde, mit welcher die Unpfändbarkeit des Kfz mitgeteilt wird, ausgereicht hätte, ist aus dem Urteil nicht erkennbar. Die Revision wurde nicht zugelassen, da der BFH zwar noch nicht zu einem Fall der Unpfändbarkeit entschieden hätte, jedoch aus der bisherigen Rechtsprechung sich ohne Zweifel kein abweichendes Ergebnis ergeben würde. Der BFH hat jedoch der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben, die Revision ist unter dem Aktenzeichen II R 49/09 anhängig.
FG Münster vom 06.11.2008 (Az. 13 K 2945/08 Kfz (PKH)): Im Rahmen eines PKH-Antrages vertrat das FG Münster die Ansicht, dass eine Klage eines Insolvenzverwalters gegen die Festsetzung der Kfz-Steuer für ein nicht dem Pfändungsbeschlag unterliegendem und somit insolvenzfreien Kfz als Masseverbindlichkeit ausreichende Erfolgsaussichten habe. (Urteilstext auch abgedruckt in ZInsO 2009, 441)
FG Saarland vom 04.05.2010 (Az. 1 K 1195/08): Bei der Kfz-Steuer für ein dem Pfändungsschutz unterliegenden Fahrzeug handelt es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit, auch wenn das Fahrzeug bereits vor Insolvenzeröffnung veräußert wurde, aber keine Veräußerungsanzeige erfolgte. Die Revision ist beim BFH unter dem Aktenzeichen Az. II R 34/10 anhängig.
BFH vom 08.09.2009 (Az. II B 63/09): Auch der BFH vertritt in seinem Beschluss im Rahmen eines Antrages auf vorläufigen Rechtschutz die Auffassung, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob es sich bei der Kfz-Steuer für ein nicht pfändbares Kfz um eine Masseverbindlichkeit handelt.
 

Kfz-Steuer bei sich nicht im Besitz der Masse befindlichen Fahrzeugen

BFH vom 18.09.2007 (Az. IX R 59/06) und vom 29.08.2007 (Az. IX R 20/07): Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, solange die Steuerpflicht wegen der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs auf den Schuldner noch andauere; es käme nicht darauf an, ob das Fahrzeug schon vor Insolvenzeröffnung an den Vermieter zurückgegeben worden sei. Die Vorinstanz (FG Hamburg vom 30.03.2007, Az. 7 K 248/06) hatte noch zugunsten des Insolvenzverwalters entschieden.
BFH vom 29.08.2007 (Az. IX R 58/06): Der BFH stellt fest, dass die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer auch dann Masseverbindlichkeit i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei, wenn sich das Kraftfahrzeug nicht mehr im Besitz des Schuldners befindet, die Steuerpflicht aber aufgrund der fehlenden Abmeldung bzw. Veräußerungsanzeige noch andauert.
BFH vom 29.08.2007 (Az. IX R 4/07, IX R 21/07): Im ersten Streitfall hatte der Insolvenzverwalter behauptet, dass das Fahrzeug bereits vor Insolvenzeröffnung durch die Insolvenzschuldnerin veräußert wurde. Im zweiten Streitfall behauptete der Insolvenzverwalter, dass das Fahrzeug bereits vor Insolvenzeröffnung versteigert worden sei. Zusätzlich hatte er es aus der Insolvenzmasse freigegeben. Eine Veräußerungsanzeige war in keinem der beiden Fälle erfolgt. Laut BFH enthalte das KraftStG die unwiderlegbare Vermutung, dass das Fahrzeug von demjenigen, für den es zugelassen ist, bis zum Eingang der Anzeige über den Übergang bei der Zulassungsstelle gehalten wird und somit Schuldner der KraftSt sei. Die tatsächliche fehlende Verfügungsbefugnis sei unerheblich. Dies gelte auch nach Insolvenzeröffnung. Dieses unwiderlegbar rechtsvermutete Halten des Fahrzeugs gelte nicht nur für die Anwendung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, sondern auch bei der Auslegung der insolvenzrechtlichen Normen mit der Folge, dass das Fahrzeug zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehöre und die nach Insolvenzeröffnung entstehende Kraftfahrzeugsteuer Masseverbindlichkeit i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei.
 
Nachtrag: „Ein Insolvenzverwalter hat zum Zweck der Überprüfung oder Vervollständigung von masserelevanten Vermögensangaben einer Gemeinschuldnerin keinen aus § 35 Abs. 1, § 39 Abs. 1 oder § 39 Abs. 3 Satz 1 StVG folgenden Anspruch gegenüber der KFZ-Zulassungsstelle auf Bekanntgabe von Fahrzeugdaten. Es verbleibt insoweit bei dem von den §§ 97 und 98 InsO zur Verfügung gestellten Instrumentarium.“ (VG Braunschweig vom 04.09.2009, Az. 6 A 46/09)
 
 

Insolvenzverwaltung versus Zwangsverwaltung

Am 02.10.2006 wurde aufgrund einer Grundschuld die Zwangsverwaltung der landwirtschaftlichen Grundstücke angeordnet, am 01.04.2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, am 02.07.2007 die Zugmaschine stillgelegt. Das Finanzamt setzte die Kfz-Steuer für die Zugmaschine für den Zeitraum vom 01.04. bis 01.07.2007 gegen die Insolvenzmasse fest. Hiergegen wehrte sich der Insolvenzverwalter mit Einspruch und Klage mit der Begründung, dass die Zugmaschine der Zwangsverwaltung unterliege und somit nie Bestandteil der Insolvenzmasse wurde und von dieser auch nie genutzt wurde. Vor dem Finanzgericht München (Urteil vom 23.03.2011, Az. 4 K 812/08) hatte der Insolvenzverwalter Erfolg. Die Hypothek erstrecke sich auch auf das Zubehör des Grundstückes. Die Zugmaschine diene als landwirtschaftliche Maschine dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache und unterliege daher als Zubehör der Zwangsverwaltung. Da dem Zwangsverwalter und nicht dem Insolvenzverwalter die Verwaltung obliege, sei die Kraftfahrzeugsteuer nicht durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet. Der Bescheid sei daher auch an den Zwangsverwalter zu richten. Die Revision ist vor dem BFH unter dem Aktenzeichen II R 28/11 anhängig.
 

Kfz-Steuer und Aufrechnung

Kfz-Steuer ist grundsätzlich im Voraus zu entrichten (§ 6 KraftStG). Da jedoch die Kfz-Steuer durch das Halten des Kfz entstehen würde, vertritt der BFH in seinem Urteil vom 16.11.2004 (Az. VII R 62/03) die Auffassung, dass die Kfz-Steuer tagesweise entstehen würde. Demnach könne die Kfz-Steuer nach Insolvenzeröffnung neu gegen die Insolvenzmasse oder ggf. gegen das insolvenzfreie Vermögen festgesetzt werden. Das Guthaben, welches sich aus der Abrechnung aus der vor der Insolvenzeröffnung geleisteten Vorauszahlung ergibt, stände der Insolvenzmasse zu, könne aber seitens des Finanzamt mit Insolvenzforderungen aufgerechnet werden.
 
 
Letztes Update:
Berlin, den 08.08.2011
Schwarz, Steuerberater