HGB: Offenlegung von Jahresabschlüssen in der Insolvenz

Eine kurze Rechtsprechungsübersicht über die Verpflichtung zur Offenlegung der Jahresabschlüsse gem. § 325 HGB in Insolvenzverfahren.

 
Gesetzliche Grundlage:

Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben gem. § 325 HGB die Jahresabschlüsse nach Vorlage an die Gesellschafter, spätestens zum 31.12. des Folgejahres, beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen. Bei Pflichtverletzung hat das Bundesamt für Justiz gem. § 335 HGB von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren gegen die gesetzlichen Vertreter oder gegen die Kapitalgesellschaft einzuleiten. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens 2.500 EUR, höchsten jedoch 25.000 EUR. Gegen die Androhung der Festsetzung des Ordnungsgelds kann innerhalb der 6-Wochenfrist Einspruch beim Bundesamt für Justiz eingelegt werden. Gegen die Festsetzung des Ordnungsgelds ist innerhalb von 2 Wochen die sofortige Beschwerde gegeben. In Insolvenzverfahren soll die Offenlegungspflicht als Annex der Rechnungslegungspflicht nach § 155 InsO den Insolvenzverwalter treffen (so z.B. Münster/Meier-Behringer in Haufe HGB Kommentar § 335 Rz 54).
 
 
Zusammenfassende Darstellung der Rechtsprechung des Landgericht Bonn zu Insolvenzfällen:
 
Die Offenlegungspflicht bestehe auch bei Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Das Ordnungsgeldverfahren könne jedoch nicht gegen den Insolvenzverwalter geführt werden, weil er kein allgemeiner Vertreter sowie kein Organ der Gesellschaft wäre. Die Insolvenzgesellschaft sei aufgrund des Insolvenzbeschlags zur Offenlegung nicht in der Lage, es träfe sie insoweit kein Verschulden, was jedoch Voraussetzung für ein Ordnungsgeld wäre. Die gesetzlichen Vertreter blieben zur Offenlegung verpflichtet, jedoch nur bezogen auf das insolvenzfreie Vermögen. Wenn kein insolvenzfreies Vermögen vorhanden sei, so wäre eine „Nullbilanz“ offenzulegen. Die gesetzlichen Vertreter seien aber nicht verpflichtet, die Offenlegung aus dem Privatvermögen zu finanzieren. Wenn daher das aus der Insolvenz freigegebene Vermögen nicht zur Deckung der Offenlegungskosten ausreiche, sei ein Ordnungsgeldverfahren gegen die gesetzlichen Vertreter unzulässig. Wenn das Insolvenzverfahren per Insolvenzplanbeschluss aufgehoben wird, seien Ordnungsgeldverfahren gegen die (ggf. neuen) gesetzlichen Vertreter auch für zurückliegende Zeiträume zulässig.
 
 
LG Bonn vom 16.09.2009 (Az. 30 T 366/09), Leitsätze des Gerichts:

1. Die Insolvenzgesellschaft ist nach § 155 Abs. 1 InsO weiterhin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet, so dass ihre weiterhin im Amt befindlichen gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss für diese nach § 325 HGB offenzulegen haben.

2. Die Insolvenzgesellschaft kann aufgrund des Insolvenzbeschlags durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 35, 80 InsO auf Rücklagen zur Aufbringung der Rechnungs- und Offenlegungskosten aus Rechtsgründen nicht mehr zugreifen, so dass sie an der Unterlassung der Offenlegung nach § 325 HGB kein Verschulden trifft.

3. Die noch im Amt befindlichen Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Insolvenzgesellschaft sind nicht verpflichtet, die Erfüllung der Offenlegungspflicht nach § 325 HGB aus ihrem Privatvermögen zu finanzieren.

4. Die Tatbestandswirkung der Androhungsverfügung, gegen die ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist, erstreckt sich nicht auf das Verschulden hinsichtlich der Unterlassung der Offenlegung nach § 325 HGB.

 

LG Bonn vom 25.05.2009 (Az. 36 T 68/08):

Orientierungssatz: Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen verspäteter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen ist unzulässig, wenn der Offenlegungspflichtige aus im Insolvenzverfahren freigegebenen Vermögensgegenständen weder die Kosten für die Erstellung noch diejenigen für die Veröffentlichung aufbringen kann, weil sein Vermögen unverwertbar ist. Zwar muss ein Offenlegungspflichtiger grundsätzlich für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einstehen. Dieser Grundsatz findet aber im Insolvenz- beziehungsweise Gesamtvollstreckungsverfahren bezüglich der Offenlegung freigegebenen Vermögens keine Anwendung, da regelmäßig keine Vermögenswerte freigegeben werden, die eine Wertbeschaffung ermöglichen.

 
 LG Bonn, Beschluss vom 13.11.2008 (Az. 30 T 275/08):

Der Insolvenzverwalter ist kein zulässiger Adressat der handelsrechtlichen Offenlegungspflicht und deren Ordnungsgeldbewehrung. Zum einen verpflichtet § 325 Abs. 1 und 2 HGB die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften zur Offenlegung, nicht dagegen den Insolvenzverwalter, der nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin ist. Zum anderen kann sich das Ordnungsgeldverfahren nach § 335 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 HGB nur gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder gegen diese selbst richten, nicht aber gegen den Insolvenzverwalter.

Die Insolvenzgesellschaft ist nach § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO weiterhin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet, sodass ihre weiterhin im Amt befindlichen gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss für diese nach § 325 Abs. 1 und 2 HGB offenzulegen haben. Diese Pflichten beschränken sich allerdings auf das nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen der Schuldnerin, sodass im praktischen Regelfall eine sogenannte Nullbilanz zu erstellen und offenzulegen ist, soweit nicht ohnehin aufgrund Freigabe durch den Insolvenzverwalter insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist. Da für Außenstehende regelmäßig unbekannt ist, ob und inwieweit bei der Insolvenzgesellschaft insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist, besteht stets ein nach dem Sinn und Zweck der ordnungsgeldbewehrten Offenlegungspflicht schutzwürdiges Informationsinteresse der Gläubiger an der Offenlegung der Jahresabschlüsse auch von Insolvenzgesellschaften.


LG Bonn, Beschluss vom 30.06.2008 (Az. 11 T 48/07):

Über das Vermögen der Kapitalgesellschaft wurde in 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Verfahren wurde zum 31.12.2006 im Wege eines Insolvenzplanbeschlusses aufgehoben. Das Bundsamt für Justiz drohte der Gesellschaft mit Verfügung vom 22.06.2007 die Verhängung eines Ordnungsgelds an, da der Jahresabschluss 2006 nicht offengelegt wurde. Der Einspruch sowie die Beschwerde gegen die Festsetzung waren erfolglos. Dies wurde durch dem Beschluss des Landgerichts bestätigt: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändere nichts an der Rechtsnatur der Schuldnerin und an der Organstellung innerhalb der Kapitalgesellschaft, so dass auch in der Insolvenz die Kapitalgesellschaft bzw. deren Organe Adressaten der Offenlegungspflicht des HGB bliebe und gegen sie ein Ordnungsgeld wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses verhängt werden könne. Die Organe der Beschwerdeführerin träfen an der Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen für 2006 auch Verschulden. Sie hätten sicherstellen müssen, dass sie in der Lage waren, die Frist des § 325 Abs. 4 HGB einzuhalten. Wenn die Erstellung der Jahresabschlussunterlagen von der Liquidität der Kapitalgesellschaft abhing, hätte Vorsorge für rechtzeitige Zuführung von Liquidität getroffen werden müssen. Insofern gälte nichts anderes als für die Erfüllung sonstiger gesetzlicher Pflichten. Die fortgesetzte Gesellschaft müsse gemäß § 31 BGB für Versäumnisse früherer Organe haften


LG Bonn, Beschluss vom 07.05.2008 (Az. 11 T 50/07):

Die Pflicht zur Einreichung der Jahresabschlussunterlagen bei dem Elektronischen Bundesanzeiger besteht auch für Gesellschaften, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Auch wenn sich eine Gesellschaft im Insolvenzverfahren befindet, hat sie sich an die gesetzliche Frist zur Einreichung des Jahresabschlusses zu halten. Die Pflicht zur fristgerechten Rechnungslegung ist dann in Bezug auf die Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter zu erfüllen. Diese Frist wird auch nicht von der Sechswochenfrist außer Kraft gesetzt, die es Kapitalgesellschaften ermöglicht, der Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu entgehen.
 
 
LG Bonn, Beschluss vom 22.04.2008 (Az. 11 T 28/07):

Das Bundesamt für Justiz hat der Insolvenzschuldnerin mit Adressierung "c/o Herrn Dr. P als Insolvenzverwalter" die Verhängung eines Ordnungsgeldes angedroht.  Die Kammer stellt hierzu fest, dass auch Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, zur Offenlegung des Jahresabschlusses verpflichtet seien. Die Androhung eines Ordnungsgeldes wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses sei jedoch an das Organ der Gesellschaft und nicht an den Insolvenzverwalter zu richten. Das Ordnungsgeld nach § 335 HGB setze ein Verschulden voraus. Aufgrund der fehlenden Beteiligung der Organe im zu beurteilenden Sachverhalt bedurfte es daher keine Entscheidung, ob die Organe ein Verschulden an der nicht vorgenommenen Offenlegung trifft. (so auch LG Bonn, Beschluss vom 16.05.2008, Az. 11 T 52/07)

Berlin, den 19.07.2011 (letzte Aktualisierung)
Schwarz, Steuerberater