EStG: BFH vom 15.12.2010 (Az. VIII R 50/09)

Beschäftigt ein Insolvenzverwalter oder ein Zwangsverwalter eine Mehrzahl von qualifizierten Mitarbeitern, führt dies nicht zwangsläufig zu gewerblichen Einkünften (Aufgabe der Vervielfältigungstheorie)

Der BFH hält in seinem Urteil vom 15.12.2010 (Az. VIII R 50/09) daran fest, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters aus einer sonstigen selbständigen Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG resultieren.

Der 8. Senat rückt jedoch von der in der Rechtsprechung entwickelten „Vervielfältigungstheorie“ ab, wonach die Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte als Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter zu gewerblichen Einkünften i. S. des § 15 EStG führen sollen, da dann die persönliche Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen nicht mehr im Vordergrund stände. Seit dem Steueränderungsgesetz 1960 gilt diese Vervielfältigungstheorie nicht mehr für mehr für freiberufliche Einkünfte i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der BFH sieht nunmehr keinen Grund mehr, die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit sowie aus freiberuflicher Tätigkeit ungleich zu behandeln und hat daher die Vervielfältigungstheorie verworfen.

Es bleibt jedoch Voraussetzung, dass der Berufsträger seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich ausübt. Aus der Anzahl der fachlich vorgebildeten Beschäftigten könne nicht zwangsläufig geschlussfolgert werden, dass es an dieser Eigenverantwortlichkeit fehle. Entscheidend sei, dass die grundlegenden Entscheidungen im Insolvenzverfahren, wie z. B. die Frage, ob Anfechtungsprozesse geführt oder wie das Vermögen verwertet werden soll, höchstpersönlich vom Berufsträger getroffen wird. Die Durchführung dieser Handlungen könne delegiert werden. Dies sehe z. B. auch die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung vor. Zu den persönlichen Pflichten – unbeschadet von Zuarbeiten durch Hilfskräfte – gehören z. B. die Berichtspflichten gegenüber dem Insolvenzgericht, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss, ggf. die Erstellung des Insolvenzplans sowie die Schlussrechnungslegung.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dann führt auch die Beschäftigung einer Mehrzahl von qualifizierten Personen durch Insolvenz- oder Zwangsverwalter nicht zu gewerblichen Einkünften.

Berlin, den 16.03.2011
Schwarz, Steuerberater

 

Update: So der BFH auch in seinen Uretilen vom 15.12.2010, Az. VIII R 37/09 und VIII R 13/10. Siehe auch BFH vom 27.08.2014, Az. VIII R 6/12: ""Eine Rechtsanwalts-GbR ist gewerblich tätig, soweit sie einem angestellten Rechtsanwalt die eigenverantwortliche Durchführung von Insolvenzverfahren überträgt. Ihre Einkünfte werden dadurch nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert, wenn die Nettoumsatzerlöse aus dieser auf den Angestellten übertragenen Tätigkeit 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen."

Berlin, den 30.09.2015
Schwarz, Steuerberater