EStG: FG München vom 21.07.2010 (Az. 10 K 3005/07)

(1) Bei der Einkommensteuer, die auf Einkünfte auf eine nicht freigegebene selbständige Tätigkeit entfällt, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit i. S. § 55 InsO.
(2) Zum betrieblichen Anteil an der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
 
Das Insolvenzverfahren wurde in 2002 eröffnet und unter Anordnung einer Nachtragsverteilung im Jahr 2008 aufgehoben. Der Insolvenzschuldner war während des Insolvenzverfahrens selbständig tätig, eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter erfolgte nicht. Der Insolvenzverwalter vereinnahmte die Erlöse aus der gewerblichen Tätigkeit auf ein Anderkonto und kehrte die gemäß Beschluss des Insolvenzgerichts pfändungsfreien Beträge (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 850a Ziff. 3, § 850i ZPO) an den Insolvenzschuldner aus. Das Finanzamt setzte die aus dieser Tätigkeit resultierende Einkommensteuer für das Jahr 2004 als Masseverbindlichkeit fest.
 
Das Finanzgericht München stellte in seinem Urteil vom 21.07.2010 (Az. 10 K 3005/07) fest, dass es sich bei der Einkommensteuer um eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO handelt. Es sei zwar zutreffend, dass der vom Insolvenzgericht festgesetzte pfändungsfreie Anteil der aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Gleichwohl läge insgesamt eine Masseverbindlichkeit vor, wenn sich der Verwalter gegen eine Freigabe entscheide und die pfändbaren Einkünfte zur Masse vereinnahmt. Die Pfändungsschutzbestimmungen sollen dem Schuldner die Existenzgrundlage aus einer Erwerbstätigkeit sichern. Die Belastung des Insolvenzschuldners mit einer (anteiligen) Einkommensteuer würde diesem Ziel widersprechen.
 
Strittig war zudem, in welcher Höhe die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters als Betriebsausgabe anzusetzen ist. Der Insolvenzverwalter begehrte einen Abzug in Höhe von 90%, da der Verwaltungsaufwand überwiegend auf den unternehmerischen Bereich entfallen sei. Das Finanzgericht stellte jedoch fest, dass gem. der InsVV Grundlage für die Verwaltervergütung der Wert des verwalteten Vermögens zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sei. Deshalb sei auch die Vergütung im Verhältnis des Betriebs- zum Privatvermögen aufzuteilen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, welche die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters erleichtern oder erschweren, der vorläufige Insolvenzverwalter also z.B. einen Vergütungszuschlag für eine Betriebsfortführung erhalten hätte.
 
Die vom BFH zugelassene Revision ist unter dem Aktenzeichen III R 21/11 anhängig („Entfaltet ein Insolvenzverwalter durch die bloße Duldung der gewerblichen Tätigkeit des Schuldners und durch die Vereinnahmung der Entgelte aus dieser Tätigkeit sowie durch die Bereinigung der massezugehörigen Einkünfte um den pfändungsfreien Anteil eine eigene Verwaltungstätigkeit, sodass er dadurch in Bezug auf die Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit begründet?“).

Berlin, den 29.07.2011
Schwarz, Steuerberater