InsO: BFH vom 02.11.2010 (Az. VII R 6/10)

Der aus der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters entstehende Vorsteuervergütungsanspruch kann - wenn die Voraussetzungen der §§ 130 f. InsO vorliegen - gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht mit Insolvenzforderungen aufgerechnet werden (Änderung der Rechtsprechung).

Das Finanzamt hatte in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH, die Vorsteuer aus der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit steuerlichen Insolvenzforderungen aufgerechnet. Der Insolvenzverwalter begehrte jedoch die Auszahlung an die Insolvenzmasse und hatte vor dem Bundesfinanzhof - überraschend - Erfolg.

Abweichend zu seiner Entscheidung vom 16.11.2004 (VII R 75/03) vertrat der BFH nunmehr in dem Urteil vom 02.11.2010 die Auffassung, dass die Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig sei. War der Senat bislang der Auffassung, dass die Umsatzsteuer kraft Gesetz entstehe und somit keine anfechtbare Rechthandlung vorliegen könne, schloss er sich nun der Rechtsauffassung des BGH an, wonach in der Leistungserbringung, aus welcher Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer entsteht, eine Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO zu sehen sei.

Die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO setze voraus, dass (a) die Rechtshandlung vor Insolvenzeröffnung vorgenommen werde, (b) diese irgendeine Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit geschaffen habe und (c) diese die Insolvenzgläubiger benachteilige.

Die Leistungserbringung (Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters) sei unstrittig vor Insolvenzeröffnung erfolgt, die Leistungserbringung sei auch eine der Voraussetzungen für die Aufrechnungsmöglichkeit und die Gläubigerbenachteiligung liege vor, da sich das Finanzamt durch die Aufrechnung eine vollständige Befriedigung und nicht nur in Höhe der Insolvenzquote verschaffen könne.

Da die anfechtbare Rechtshandlung - die Leistungserbringung des vorläufigen Insolvenzverwalters - nach Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurde, sei diese zumindest gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Die Aufrechnung sei daher gem. § 96 Abs.1 Nr. 3 InsO unzulässig.

Im Übrigen hatte das Finanzamt versucht, dieses Urteil zu vermeiden, in dem es nach der mündlichen Verhandlung den Abrechnungsbescheid aufgehoben und den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt hatte. Der Senat bejahte jedoch, dass der klagende Insolvenzverwalter weiterhin ein persönliches Interesse an einer Entscheidung habe, da dieser gleichzeitig in einem gleichgelagerten Sachverhalt ein Klageverfahren beim Finanzgericht betreibe, welches derzeit ruhe, da sich die Beteiligten eine Klärung der Rechtsfrage im Rahmen dieses Rechtsstreites erhofften.

Berlin, den 20.01.2011
Schwarz, Steuerberater