UStG/InsO: BFH vom 17.03.2010 (Az. XI R 2/08 und XI R 30/08)

Umsatzsteuer aufgrund einer freigegebenen unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt keine Masseverbindlichkeit dar, auch wenn der Insolvenzschuldner mit Zustimmung des Insolvenzverwalters Massegegenstände nutzt.

Das Insolvenzverfahren wurde am 4.03.2005 eröffnet. Am gleichen Tage gab der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb frei und gestattete dem Insolvenzschuldner, Gegenstände der Insolvenzmasse zu nutzen. Er verpflichtete den Insolvenzschuldner, regelmäßig Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen zu erstellen  und Überschüsse, soweit die Pfändungsfreibeträge übersteigend, an die Insolvenzmasse abzuführen. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer aus der gewerblichen Tätigkeit  gegen die Insolvenzmasse fest, da es die Auffassung vertrat, dass die vorgenommene Freigabe rechtlich nicht möglich sei.


Die Klage des Insolvenzverwalters war erfolgreich.


Der BFH vertrat in seinem Urteil (Az. XI R 2/08) die Auffassung, dass die Umsatzsteuer nicht durch Handlung des Insolvenzverwalters entstanden sei, da die Nutzungsüberlassung nicht Gegenstand der Umsatzsteuer-Bescheide sei. Da die Freigabe gerade unter dem Eindruck, dass keine Überschüsse erzielt werden können, erfolgt sei, würde der Betrieb auch nicht auf Rechnung der Insolvenzmasse fortgeführt worden.


Die Umsatzsteuer sei auch nicht in anderer Weise durch die Verwaltung und Verwertung  begründet, da die Freigabe nicht unter den §§ 148 ff. InsO aufgeführten Verwaltungs- und Verwertungsmaßnahmen genannt sei. Die ertragbringende Nutzung der Massegegenstände sei nicht als Verwertung zu betrachten, wenn die vom Schuldner im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit erbrachten sonstigen Leistungen nicht im Wesentlichen auf der Nutzung von Massegegenständen beruhen.


Bei der Umsatzsteuer könne es sich daher nicht um eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 InsO handeln.

Berlin, den 15.07.2010
Schwarz, Steuerberater

Update:

Ähnlich hat auch der 11. Senat des BFH in einem vergleichbaren Fall entschieden (Urteil vom 17.03.2010, Az. XI R 30/08). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines selbstständigen Fliesenlegermeisters wurde am 31.08.2001 eröffnet. Am 26.03.2002 wurde ein Insolvenzplan genehmigt, wonach der Betrieb aus der Masse freigegeben wurde und der Insolvenzschuldner sich verpflichtete, den auf Basis der steuerlichen Einkünfte ermittelten pfändbaren Teils an die Masse auszukehren. Am 28.10.2003 wurde das Scheitern des Insolvenzplans festgestellt, am 30.10.2003 gab der Insolvenzverwalter den Betrieb erneut aus der Insolvenzmasse frei. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer gleichwohl gegen die Insolvenzmasse fest. Hiergegen wehrte sich der Insolvenzverwalter erfolgreich vor dem BFH. Der 11. Senat leitet aus dem BGH-Beschluss vom 20.03.2003 (Az. IX ZB 388/02) ab, dass es sich bei den berufsbedingten Aufwendungen, wozu auch die Umsatzsteuer gehöre, nicht um Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handeln würde.

Berlin, den 24.09.2010
Schwarz, Steuerberater