InsO: BGH vom 22.10.2009 (Az. IX ZR 147/06)

Gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässige Aufrechnung durch das Finanzamt; Auslegung des Begriffs Rechtshandlung im Sinne der InsO.

Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der späteren Insolvenzschuldnerin wurde am 15.07.2004 gestellt. Das Finanzamt erhielt hiervon unmittelbar Kenntnis. Zu diesem Zeitpunkt bestanden unstrittige Steuerguthaben, welche das Finanzamt nach Insolvenzeröffnung mit nach Insolvenzantrag, aber vor Insolvenzeröffnung entstandenen Steuerverbindlichkeiten aufrechnete. Hiergegen wehrte sich der Insolvenzverwalter mit Klage vor dem Landgericht.

In dem Urteil vertritt auch der BGH die Auffassung, dass die Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig sei. Die Umsatzsteuerverbindlichkeit entstände zwar kraft Gesetz, es könne jedoch kein Zweifel bestehen, dass die Geschäfte des Schuldners und somit Rechtshandlungen zur Umsatzsteuerverbindlichkeit führten.

Besonders interessant an diesem Fall ist, dass dieser „zufällig“ vom BGH zu entscheiden war, da die Erstinstanz es versäumte, auf die Zuständigkeit des Finanzgerichts zu verweisen.

Der BFH hätte aller Voraussicht nach gegenteilig entschieden, da es in dem Urteil vom 16.11.2004 (Az. VII R 75/03) die Auffassung vertrat, dass keine Rechtshandlungen zu den Umsatzsteuerverbindlichkeiten führten, da diese kraft Gesetz entstanden seien. Damit kann die Aufrechnungslage nicht in anfechtbarer Weise erworben worden sein.

Der BGH hielt jedoch leider eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe für nicht erforderlich, da in dem Urteil des BFH die Aufrechnung bereits gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig war.


Berlin, den 23.12.2009
Schwarz, Steuerberater

Update: Der BFH hat sich hinsichtlich des Entstehens der Umsatzsteuer durch Rechtshandlungen mit seinem Urteil vom 02.11.2010 (Az. VII R 6/10) der Rechtsauffassung des BGH angeschlossen.