EStG/AO: BFH vom 14.07.2010 (Az. X R 34/08)
Das unter Fortführung eines Gewerbebetriebs verpachtete Grundstück eines Steuerpflichtigen wurde in 1999 zwangsversteigert, wobei der Erlös die Verbindlichkeiten bei weitem nicht deckte. Anfang 2002 endeten die Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern mit dem Erlass der restlichen Schulden. Der Buchgewinn führte zur Einkommensteuer, da in der Vergangenheit die Verlustvorträge aufgrund der Verrechnung mit positiven Einkünften gemindert wurden. Der Steuerpflichtige begehrte vor Gericht den Erlass der Einkommensteuer - soweit auf den Sanierungsgewinn entfallend - gemäß § 227 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen. (vereinfachte Sachverhaltsdarstellung)
Der BFH lehnte mit Urteil vom 14.07.2010 (Az. X R 34/08) den Antrag ab. Bei dem Erlass von Steuern handele es sich um eine Ermessensentscheidung des Finanzamtes, die von Gerichten nur im Rahmen des § 102 FGO überprüfbar sei.
Das BMF-Schreiben vom 27.03.2003 (Az. IV A 6 - S-2140 - 8/03, BStBl 2003, 240) schränke den Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen auf Fälle der unternehmensbezogene Sanierung ein. Eine unternehmerbezogene Sanierung dagegen, die durch die schuldenfreie Liquidierung des Unternehmens dem Unternehmer den Aufbau einer Existenz in selbständigen oder nichtsselbständigen Positionen oder den Übergang in den Alterruhestand ermöglichen soll, ist demnach nicht in dieser Form begünstigt. Diese Verwaltungsauffassung entspreche dem berechtigten Anliegen, "nur das Unternehmen als solches wieder ertragsfähig werden zu lassen" und sei daher von der Finanzgerichtsbarkeit zu beachten.
Auch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 (Az. IV C 6 - S-2140 / 07 / 10001-01, BStBl 2010, 18) sei nicht anwendbar, da der Schuldenerlass nicht im Rahmen einer Restschuldbefreiung i. S. der §§ 286 ff InsO bzw. einer Verbraucherinsolvenz nach §§ 304 ff. InsO erfolgte. Eine Schuldbefreiung nach der Insolvenzordnung setze voraus, dass der Verwertungserlös für sämtliches pfändbares Vermögen sowie die pfändbaren Bezüge für die Dauer von sechs Jahren gleichmäßig an die Gläubiger verteilt werde. Eine außergerichtliche Schuldenbereinigung unterliege nicht derartigen strengen Regeln. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Sanierungsgewinne durch die Finanzverwaltung verstoße daher nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der BFH konnte auch keinen anderen sachlichen Billigkeitsgrund sehen, der zwangsläufig zu einem Erlass der Einkommensteuer führen müsse. Der Gesetzgeber habe mit Wirkung für das Veranlagungsjahr 1998 den § 3 Nr. 66 EStG, welcher einen Sanierungsgewinn steuerfrei stellte, bewusst gestrichen, da es ansonsten durch den inzwischen zeitlich uneingeschränkten Verlustvortrag zu einer Doppelbegünstigung komme. Würden im Billigkeitswege nun Steuern auf Sanierungsgewinne erlassen, denen keine ausreichenden Verlustvorträge gegenüberstehen, weil die laufenden Verluste bereits mit positiven Einkünften verrechnet worden sind, würde die gesetzgeberische Entscheidung außer Kraft gesetzt.
Der BFH wies daher die Revision des Klägers als unbegründet ab.
Berlin, den 10.09.2010
Schwarz, Steuerberater