UStG: BFH vom 09.12.2010 (Az. V R 22/10) *Update 16.08.2013*

Auch bei einer Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) entsteht bei der Vereinnahmung von „Altforderungen“ Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit.

 

Der Insolvenzverwalter einer GmbH vereinnahmte eine Forderung, für welche die Leistung bereits vor Insolvenzeröffnung erbracht wurde. Etwas unklar war, ob der Insolvenzschuldner zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung eine Soll- oder Ist-Besteuerung durchführte. Dies hielt der BFH mit seinem am 13.04.2011 veröffentlichten Urteil vom 9.12.2010 (Az. V R 22/10) jedoch für unbeachtlich, da er die Auffassung vertrat, dass es sich auch bei einer Soll-Besteuerung bei der Umsatzsteuer um eine Masseverbindlichkeit handelt. Die Vorinstanz hatte noch anders entschieden.

Bei der Begründung beschreitet der V. Senat neue Wege. Unstrittig sei es, dass aus einer Forderung die Umsatzsteuer gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu korrigieren sei, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, da in diesem Fall die Forderung auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzbar ist.

Gleiches gelte auch für Forderungen des Insolvenzschuldners. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens zerfalle dieses in mehrere Teile: in den insolvenzbefangenen, den vorinsolvenzrechtlichen und ggf. in den insolvenzfreien Teil (z. B. bei Freigabe von Vermögensgegenständen).

Deshalb könne z. B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden.

Gem. § 80 InsO könne nur noch der Insolvenzverwalter die Forderungen einziehen, der Unternehmer sei deshalb rechtlich nicht mehr in der Lage, diese Forderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zu vereinnahmen. Daher würden für den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil die Forderungen uneinbringlich und die Umsatzsteuer sei zu berichtigen. Mit der Vereinnahmung der Forderungen durch den Insolvenzverwalter würde somit eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG begründet werden.

Da erst mit der Vereinnahmung der Steueranspruch vollständig verwirklicht sei, handele es sich bei der Umsatzsteuerberichtigung um eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Mit diesem Ergebnis sei auch sichergestellt, dass die gebotene Besteuerungsgleichheit zwischen der Ist- und Soll-Besteuerung gegeben sei. (Zur Ist-Besteuerung vergleiche das Urteil vom 29.01.2009, Az. V R 64/07).

Es bestände auch keine Divergenz zur Rechtsprechung des VII. Senats. Dieser habe sich mit den insolvenzrechtlichen Aufrechnungshindernissen und in diesem Zusammenhang mit der Begründung des Vorsteuerabzuges auseinandergesetzt. Im Streitfall gehe es jedoch um die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten im Hinblick auf die durch den Insolvenzverwalter vereinnahmten Leistungsentgelte.
 
Berlin, den 14.04.2011
Schwarz, Steuerberater

 

Update:

Gemäß BMF-Schreiben vom 09.12.2011 findet die Rechtsprechung Anwendung auf Insolvenzverfahren, welche nach dem 31. 12.2011 eröffnet werden.
 
Berlin, den 09.12.2011
Schwarz, Steuerberater
 

Update:
Es gibt es noch, das kleine Dorf der Gallier: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hält es in seinem Beschluss vom 18.03.2013 (Az. 7 V 7279/12) für ernstlich zweifelhaft, dass Forderungen allein aufgrund des Übergangs der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter uneinbringlich sei sollen und die spätere Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter zu Masseverbindlichkeiten führen soll. Die Hauptsache ist vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen 7 K 7337/12 anhängig. Der Senat ist der Meinung, dass die Rechtsprechung des V. Senats nach wie vor umstritten sei. Er weist darauf hin, dass der VII. Senat es offen gelassen habe, ob er sich der Auffassung des V. Senats anschließe. Der auch für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat habe zu diesem Thema überhaupt noch nicht entschieden. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gem. § 69 FGO wurde daher stattgegeben. Die zugelassene Beschwerde ist vor dem BFH unter dem Aktenzeichen XI B 41/13 anhängig.

Berlin, den 16.08.2013
Schwarz, Steuerberater

 

Update:

Ber BFH hat mit Beschluss vom 11.07.2013 (Az. XI B 41/13) festgestellt, dass keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide bestehen und der Bschwerde des FA stattgegeben.

Berlin, den 30.09.2013
Schwarz, Steuerberater