EStG/InsO: BFH vom 16.05.2013 (Az. IV R 23/11)

Die Einkommensteuer, die aus dem Buchgewinn einer freihändigen Veräußerung eines mit Absonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstands resultiert, gehört im vollen Umfang zu den Masseverbindlichkeiten.

Der Insolvenzverwalter veräußerte mit Einverständnis der Grundpfandgläubigerin ein zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörendes Grundstück. Die sich aus dem Buchgewinn ergebende Einkommensteuer setzte das Finanzamt in voller Höhe gegen die Insolvenzmasse fest. Die Einkommensteuer überstieg den bei der Masse verbleibenden Überschuss aus der Verwertung.

Die Vorinstanz (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2011, Az. 7 K 3953/10-E) entschied, dass es sich bei der Einkommensteuer nur um eine Masseverbindlichkeit handelt, soweit der Erlös tatsächlich zur Masse gelangte. Sie konnte sich hierbei auf die Rechtsprechung des BFH zur Konkursordnung berufen (z. B. BFH vom 29.03.1984, Az. IV R 271/83).

Der BFH kam jedoch in seinem Urteil vom 16.05.2013 (Az. IV R 23/11) zu der Auffassung, dass die Einkommensteuer im vollen Umfang eine Masseverbindlichkeit i. S. § 55 InsO darstellt. Der 4. Senat (zuständig u. a. für Land- und Forstwirtschaft) begründet seine Auffassung letztendlich damit, dass sich die Einkommensteuer nicht gegen das insolvenzfreie Vermögen richten könne, da der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner insoweit nicht verpflichten könne und zudem das Ziel der Restschuldbefreiung ansonsten gefährdet sei. Aus diesem Grund soll es sich bei der Einkommensteuer im vollen Umfang um eine Masseverbindlichkeit handeln, unabhängig davon, inwieweit der Erlös tatsächlich bei der Masse verbleibt.

Zuvor hat der Senat – der ständigen Rechtsprechung folgend - in seiner Begründung das Argument zurückgewiesen, dass es sich bei der Einkommensteuer um eine Insolvenzforderung handelt, soweit die stillen Reserven bereits bei Insolvenzeröffnung bestanden.

Aus der Urteilsbegründung ergibt sich ferner, dass es sich bei der Einkommensteuer, welche aus der Verwertung eines freigegebenen Vermögenswertes resultiert, wohl nicht um eine Masseverbindlichkeit handeln soll, wobei sich der Senat hier etwas windet, da sich die Einkommensteuerforderung in derartigen Fällen gegen das insolvenzfreie Vermögen richten würde und folglich die Restschuldbefreiung gefährdet ist. Gleiches muss meines Erachtens bei einer Zwangsversteigerung gelten.

Der 5. Senat des BFH hatte im Übrigen noch zur KO festgestellt, dass es sich bei der Umsatzsteuer aus der Verwertung eines aus der Insolvenzmasse freigegebenen Grundstücks um eine Masseverbindlichkeit handelt, wenn das Grundstück als Sicherheit für Insolvenzforderungen diente, was der Regelfall sein dürfte (z. B. Urteile vom 16.08.2001, Az. V R 59/99, vom 24.06.1992, Az. V R 130/89). Gleiches gilt für die Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG, die bei einem umsatzsteuerfreien Verkauf entstehen kann. Derzeit ist wohl nicht mit einer Änderung der Rechtsprechung zu rechnen, mir ist zumindest kein beim BFH anhängiges Verfahren bekannt.

Daraus entsteht die eigenartige Situation, dass der Insolvenzverwalter mit einer Freigabe die Masse offenbar vor ertrag- nicht aber vor umsatzsteuerlichen Konsequenzen schützen kann. Sollte also der Insolvenzschuldner das freigegebene Grundstück umsatzsteuerfrei veräußern - worauf der Insolvenzverwalter keinen Einfluss mehr hätte – so würde die daraus unter Umständen resultierende Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG die Masse treffen. Bei einer Zwangsversteigerung kann der Insolvenzverwalter zwar bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten zur Umsatzsteuer optieren (§ 9 Abs. 3 UStG) und so eine Vorsteuerkorrektur vermeiden. Bei vorheriger Freigabe des Grundstücks dürfte ihm dieses Optionsrecht jedoch nicht mehr zustehen.

Vor dem 9. Senat des BFH ist ein sehr ähnlich gelagerter Fall noch anhängig (Az. IX R 17/12, Vorinstanz Finanzgericht Düsseldorf, Az. 11 K 4201/10 E - privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 EStG).


Berlin, den 10.08.2013
Schwarz, Steuerberater

 

UPDATE: Die beim BFH unter dem Aktenzeichen IX R 17/12 anhängige Revision wurde zurückgenommen.