EStG/InsO: BFH vom 13.12.2016 (Az. X R 4/15)
Der Kläger war als Handelsvertreter bis 1995 oder 1996 selbstständig tätig. In 1999 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, in 2006 die Restschuldbefreiung erteilt.
In 2008 erließ das Finanzamt einen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Gewinnfeststellungsbescheid, welches den Buchgewinn aus dem Wegfall der betrieblichen Verbindlichkeiten („Befreiungsgewinn“ genannt), berücksichtigte. Während des Einspruchsverfahrens äußerte der BMF in seinem Schreiben vom 22.12.2009 (IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18) seine (geänderte) Rechtsaufassung, wonach die Realisierung des Befreiungsgewinns im Jahr der Restschuldbefreiung erfolge. Daraufhin änderte das Finanzamt in 2010 wiederum den Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 1995 zurück in seine ursprünglichen Fassung. Im gleichen Jahr änderte das Finanzamt gem. § 174 Abs. 4 AO den Einkommensteuerbescheid 2006, der festgestellte verbleibende Verlust auf den 31.12.2006 verminderte sich um den Befreiungsgewinn.
Gegen den geänderten Verlustfeststellungsbescheid ging der Steuerpflichtige nach erfolgslosem Einspruch erfolgreich mit einer Klage vor.
Auch der BFH befand in seinem Urteil vom 13.12.2016 (Az. X R 4/15), dass der Befreiungsgewinn grundsätzlich zwar im Jahr der Restschuldbefreiung, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe in der Betriebsaufgabebilanz zu berücksichtigen sei. Die Aufgabebilanz sei im zu beurteilenden Sachverhalt vor Beginn des Insolvenzverfahrens aufzustellen, jedoch erst mit Erteilung der Restschuldbefreiung seien die Verbindlichkeiten dort nicht mehr auszuweisen.
Im Fall der Betriebsaufgabe stelle die Erteilung der Restschuldbefreiung somit ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bezogen auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe dar. Unerheblich sei dabei die insolvenzrechtliche Qualifikation der aus einer Restschuldbefreiung resultierenden Steuer.
Da im ursprünglichen Bescheid 2006 materiell-rechtlich im Ergebnis zu Recht kein Gewinn aus der erteilten Restschuldbefreiung angesetzt worden war, sei der Änderungsbescheid vom 25. August 2010 schon materiell-rechtlich rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Auf die Frage, ob verfahrensrechtlich eine Korrekturvorschrift zur Verfügung gestanden hätte, komme es nicht mehr an.
Berlin, 26.05.2017
karus Steuerberatungsgesellschaft mbH